(Um)Weg vom FSJ in das Backhandwerk

Wer am Donnerstag am Gemeinschaftshaus der Freien Waldorfschule in Magdeburg vorbeigeht, kommt um den Geruch von frischgebackenem Kuchen nicht herum. Die FSJlerin Nele Böttcher bäckt dann, wie jede Woche im Schuljahr den Kuchen für die Vesper der Ganztagsschule. Das freut vor allem die Schüler*innen, die es dann plötzlich gar nicht mehr eilig haben, nach Hause zu gehen: „Bäckt Frau Böttcher heute? Dann bleibe ich bis 15 Uhr!“

Nele Böttcher war noch im vergangenen Jahr selbst Schülerin an der Freien Waldorfschule in Magdeburg. Nachdem sie in der 12. Klasse ihren erweiterten Realschulabschluss machte, stand auch Nele, wie viele Jugendliche in ihrem Alter, vor der Frage: Was nun?

„Ich war mir beim Berufswunsch einfach noch unsicher und wollte das Jahr nutzen, um andere Berufe zu erkunden und herauszufinden, was ich wirklich will“, berichtet die 20-Jährige. Dass Nele für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) an der Schule bleibt hatte Vor- und Nachteile. Das bekannte Umfeld gab zwar Sicherheit, der Rollenwechsel von der Schülerin zur Mitarbeitenden brauchte jedoch etwas Zeit und Durchsetzungsvermögen auf beiden Seiten. „Einer der schönsten Momente war tatsächlich, als ich das erste Mal von einem Kind mit Frau Böttcher angesprochen wurde“, verrät Nele. „Sonst bin ich immer die Jüngste, hier werde ich jetzt als Autorität wahrgenommen und die Kinder hören auf mich.“  Nele lernt zunehmend Verantwortung zu übernehmen, sich besser selbst zu organisieren und wertschätzend zu kommunizieren, klärt Konflikte zwischen den Schüler*innen, gibt Ratschläge und kann auch mal „meckern“. Möglich ist ihr dies, weil sie im geschützten Rahmen des FSJ einen Reifungsprozess durchläuft, den sie selbst in Abstimmung ihrer Kolleg*innen steuert. „Es ist eine ganz besondere Stellung, in der ich die Schulzeit sacken lassen und noch eine Art Schutz genießen kann, sodass ich langsam in die Arbeitswelt mit all seinen Anforderungen und Verpflichtungen eingetaucht bin. Ich muss hier nichts, ich kann. Das FSJ in der Ganztagsschule bietet so viele Aufgaben, aus denen ich immer wählen konnte. Es war schön, dass auf meine Wünsche Rücksicht genommen wurde“, sagt Nele. Das Tätigkeitsspektrum reicht von Kreativangeboten, Theaterprojekten, Basteln über Gartenarbeit hin zu Ausflügen der Klassenstufen 6 bis 8.

Nele probierte sich also aus, doch bei nichts wurde sie so konzentriert erlebt, wie beim Backen. Backen ist Neles Ding! Also bekommt Nele während des FSJ die Aufgabe sich um den Vesperplan und das leibliche Wohl der Schüler*innen in der Ganztagsschule zu kümmern. Sie bäckt gemeinsam mit den Kindern und allein Brote und aufwendige Kuchenkreationen. Dabei behält sie immer auch konkrete Wünsche und Lebensmittel im Blick, die weg müssen oder saisonal verfügbar sind. Abwechslung und Kreativität sind Nele wichtig. „Ich habe hier im FSJ meine kleine Nische gefunden und bin hier von der Planung über den Einkauf bis zur Verarbeitung allein verantwortlich, ein schönes wertschätzendes Gefühl“, berichtet sie. Erfahrungen zum Backen sammelte Nele bereits in ihrer Jahresarbeit zu diesem Thema und einem Praktikum bei Mademoiselle Cupcake in Magdeburg.

FSJ bietet neben der praktischen Erfahrung auch lebensnahe Seminare

Neben der Arbeit an der Schule, besucht Nele im Rahmen des FSJ auch regelmäßig Seminare, die vom Träger des Freiwilligendienstes Internationaler Jugendgemeinschaftsdienst durchgeführt werden. Hier trifft sie sich mit anderen FSJler*innen zum Austausch, für Ausflüge und zu Weiterbildungen. „Die Seminare erinnerten mich immer etwas an meine Schulzeit. Wir waren eine gleichaltrige Gruppe und haben in dem Jahr vieles gemeinsam erlebt. Wir lernten aber auch so viele lebenspraktische Dinge, die zwar auch für das FSJ halfen, aber mich auch als Mensch weiterbildeten“, erzählt Nele.

Nele weiß mittlerweile, dass die Arbeit im sozialen Bereich nichts für sie ist. Und das ist gut so! Dennoch war das Jahr ein Schritt ins Erwachsenwerden. Das FSJ gab ihr die Möglichkeit sich auszuprobieren und Grenzen auszutesten. Sie ist persönlich gereift und kann am Ende beruflich eindeutig sagen, was sie möchte und was nicht. Die Zeit an der Freien Waldorfschule Magdeburg kann sie nur empfehlen: „Mein Tipp ist sich frei zu fühlen, alles zu machen, auf was du Lust hast. Bring deine Ideen und Vorschläge ein. Hier kannst du selbst etwas bewirken und nicht nur zugucken!“

Für Nele ist nun klar, dass das Backen ihre Leidenschaft ist. Wenn alles klappt, beginnt Nele im September ihre Ausbildung zur Konditorin in Magdeburg. Vielleicht verirrt sich dann doch noch einmal der ein oder andere in das Kuchenatelier Herzstück in Stadtfeld, um von Neles Kuchen probieren zu können. Wir wünschen ihr alles Gute und danken Nele für ein schönes gemeinsames und vor allem leckeres Kuchenjahr mit ihr!

Hast du Lust auf ein FSJ bei uns?

Die Freie Waldorfschule Magdeburg ist Einsatzstelle für zwei Jugendliche im Freiwilligen Sozialen Jahr oder Bundesfreiwilligendienst. Leider sind unsere Plätze für das Schuljahr 2022/23 schon besetzt. Interessenten, z. B. für das kommende Jahr, können sich dennoch gern jederzeit per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. bei uns melden.