Klassenstufen

Die Klassenstufen werden folgendermaßen unterteilt:

Die Klassenlehrerzeit

In den ersten acht Schuljahren unterrichten die Klassenlehrer:innen den Hauptteil der Fächer. Über ganz verschiedene Unterrichtsgebiete kann das Kind so eine beständige Beziehung zu einem Erwachsenen knüpfen, sich an ihm orientieren und ausrichten. In dieser Zeit gibt es keine Noten. Diese werden erst ab der 10. Klasse vergeben. Stattdessen gibt es am Ende eines jeden Schuljahres ein sehr ausführliches schriftliches Zeugnis und einen „Zeugnisspruch“, der im darauffolgenden Schuljahr rezitiert wird. Die Klassenlehrer:innen unter­richten die Klassen jeden Morgen für die Dauer von annähernd zwei Zeitstunden. Sie achten darauf, das Kind ganzheitlich, in seinem Wollen, Fühlen und Denken in jeder Stunde anzusprechen und fassen das jeweilige Unterrichtsgebiet in Einheiten zu drei bis vier Wochen zusammen – den Epochen (siehe unten). Den Anfang bildet ein musikalisch-rhythmischer Teil mit Liedern und Gedichten, danach folgt die Stoffvermitt­lung und Wiederholung. Abgeschlossen wird die Stunde mit einer Erzählung. Dadurch wird die vollständige Hingabe des Kindes an ein Thema und dessen tiefe, vielschichtige Durch­dringung möglich.

Erste und zweite Klasse – der Kreis setzt sich in Bewegung

Der Zeitpunkt des Zahnwechsels ist der ideale (statt „entscheidend“) Moment im Leben des Kindes, die Schule besuchen zu können. Zwischen dem sechsten und siebten Lebensjahr haben Kräfte ihre Arbeit am Körper vollendet, die jetzt freiwerden, den Unterrichtsinhalt aufzu­nehmen, zu verarbeiten und zu erinnern. Das Kind brennt nun darauf, die Schule besuchen zu dürfen und dort etwas zu lernen. Das Unterrichtsprinzip der ersten beiden Klassen ist, symbolisch gesehen, der Kreis. Ein großer Teil des Lernfortschrittes ergibt sich aus dem gemeinschaftlichen Tun in der ganzen Klasse. Da das Kind all das im Inneren tief bewegt, was in der Außenwelt vollzogen wird, ist die Bewe­gung das entscheidende Hilfsmittel, durch das und mit dem sich aller Unterricht vollzieht.

Dritte, vierte und fünfte Klasse – Innen und Außen

Zwischen Ende der zweiten und Beginn der dritten Klasse verliert das Kind allmählich den unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Umwelt und bildet eine neue Qualität seines seelischen Innenraumes aus. Diese Eroberung geht häufig für eine mehr oder minder kurze Zeit mit einer merkwürdigen Traurigkeit einher, die ihren Ursprung in dem Gefühl des Verlustes der unmittelbaren Beziehung zur Außenwelt hat. Das Kind lernt nun, wie die Menschen die Erde durch die Handwerke ergriffen haben und be­kommt dadurch ein Vorbild, wie es die eigene „Krise“ meistern kann. Mit wachem, geschärftem Blick betrachtet es danach die Welt. Für seine Umwelt erwacht, entflammt sein Interesse für die erste Heimat- sowie die Menschen- und Tierkunde. In der fünften Klasse befindet sich das Kind in einem harmonischen Gleichgewicht. Aus dieser Ausgeglichenheit kann es die Ver­gangenheit anschauen – die erste Geschichts­betrachtung setzt ein.

Sechste und siebte Klasse – Schwarz und Weiß

Mit Beginn des zwölften Lebensjahres – und damit der Pubertät – gerät das Gleichgewicht des Kindes ins Schwanken und zerfällt schließ­lich. Mit einsetzender Geschlechtsreife brechen ganz neue Gefühlsdimensionen auf, denen der Jugendliche zunächst nicht gewachsen ist. Seinem Hang, die Dinge nur in den Kategorien wahr oder falsch, schwarz oder weiß zu be­trachten, kommen die ersten naturwissen­schaftlichen Epochen entgegen. Diese lösen ihn zunächst vom eigenen Gefühlschaos und geben ihm ein Vorbild an Objektivität, die er später auch sich selbst gegenüber erreichen soll.

Achte Klasse – Das Urteil

Im achten Schuljahr beginnt sich der Jugendliche von der Führung durch den Klassenlehrer abzulösen. Hat er bis dahin die Welt mit den Augen seines Lehrers betrachtet, lebt nun in ihm der Wille, selbständig die Welt zu beurteilen. Bevor er jedoch in die Oberstufe entlassen wird, stehen zwei Dinge an, in denen er seine Fähigkeiten unter Beweis stellt : das erste große Klassenspiel und die Jahresarbeit.

Seine Urteilskraft wird durch beide Tätigkeiten im besonderen Maße geschult. Im Klassenspiel wird er angeleitet, sich in Gefühl und Charakter einer anderen Person zu versetzen, was eine gewisse Autonomie gegenüber der eigenen Persönlichkeit erfordert.

Diese Tätigkeit wird später einmal ein Urteil ermöglichen, das nicht von persönlichen Interessen gefärbt ist.

In der Jahresarbeit gilt es, mit Hilfe eines Lehrers eine von dem Lehrerkollegium gestellte Aufgabe zu bearbeiten. An dieser Aufgabe soll der Schüler wachsen und lernen, gesteckte Ziele zu erreichen und nicht bei jedem sich bietenden Hindernis aufzugeben.

Unterricht in der Oberstufe – Weltinteresse

Mit dem Oberstufenbeginn in der 9. Klasse treten die Schüler:innen in ihre eigentliche Jugendzeit ein. Nicht mehr das Vorbild der Klassenlehrer:innen, sondern die sachliche, spezielle Kompetenz der verschiedenen Fachlehrer:innen tritt jetzt in den Vorder­grund. Interesse an der Welt, Tüchtigkeit für die Welt – dies zu entwickeln, ist Anliegen der Oberstufenzeit. Die Klassenlehrer:innen wer­den durch sogenannte Tutor:innen ersetzt, die selbst als Fachlehrer:innen in der Klasse unter­richten, aber als Ansprechpartner:innen für die Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen für die gesamt Oberstufe fungieren. Der Unterricht der naturwissenschaftlichen Fächer sowie Deutsch, Mathematik, Geschichte, Sozialkunde, Geografie und Kunst­geschichte wird weiterhin in Epochen gegeben, nun aber ausschließlich von Fachlehrer:innen. Aufgabe der Lehrenden ist es nun besonders, jede Hilfestellung zu geben, damit sich die Viel­falt der Welt, auch mit ihren katastrophalen Gegenwartsproblemen, den jungen Menschen so erschließen kann, dass sie ein engagiertes, jugendlich-idealistisches Weltinteresse entwi­ckeln können.

So stellen auch die zweiwöchigen Praktika ab der 8. Klasse einen altersgemä­ßen Bezug zum realen Leben her und regen zu einem wachen Urteilsvermögen sowie zu ver­antwortungsvollem Handeln an. Diesem Ziel dienen auch die zweite, nun eher theoretisch gelagerte Jahresarbeit und das zweite große Klassenspiel in der 12. Klasse.

Patenklassen – ein Beispiel

Aus der Sicht der Großen:
Die Beziehung der Patenklassen beginnt bei der Schuleinführung der Erstklässler:innen, wenn diese von den Pat:innen, den Schüler:innen der 9. Klasse durch den Blumenbogen auf die Bühne geleitet und dann in den Klassenraum zur ersten Unterrichtsstunde geführt werden. Es ist berührend zu sehen, wie die „Großen“ sich liebevoll und aufmerksam um die teilweise etwas verängstigten „Kleinen“ bemühen. Bei gemeinsamen Ausflügen bahnen sich dann erste Kontakte an. Manche Oberstufenschüler:innen, die keine kleinere Geschwister haben, müssen sich erst daran gewöhnen, Gespräche und Beschäftigungen mit den so viel Jüngeren zu finden. „Was soll ich denn mit ihm reden?“, wird da durchaus gefragt. Andere wiederum offenbaren durchaus pädagogisches Geschick. In der Vorweihnachtszeit haben die Neuntklässler:innen eine Baumscheibe geglättet, Löcher gebohrt und mit Naturmaterialien ein Adventsgärtlein gestaltet. Nun wurde mit Ton gemeinsam Maria und Joseph geformt. Dabei halfen die Pat:innen den Kleineren geduldig und es entstand eine ganz innige adventliche Stimmung.

Während der gemeinsamen Schulzeit fanden die unterschiedlichsten Aktivitäten statt. Bei gemeinsamen Ausflügen sorgten die Oberstufenschüler:innen dafür, dass alle Straßen sicher überquert, ordentlich in die Straßenbahn ein- und ausgestiegen wurde. Unterstützten die Großen ihre Patenkinder beim Fasching, beim Michaeli-Fest und bastelten Adventskalender, erhielten diese wiederum Geschenke von den Jüngeren, selbstgemalte Geburtstagskarten, die im Klassenraum ausgestellt wurden, gebastelte Laternchen, eine wunderbare Verpflegung zu den schriftlichen Prüfungen und jedes Jahr Martinshörnchen. Zum Abschluss der Patenbeziehung organisierte die dann 12. Klasse eine ordentliche Schnitzeljagd, bei der auch ein echter Schatz gefunden wurde. So wuchs in den vier Jahren eine herzliche Beziehung, in der die Schüler:innen ein bisschen die Rolle eines größeren Geschwisterteils einnahmen. Jetzt in der 12. Klasse fragt dann niemand mehr verunsichert, was er mit den Knirpsen, die ja auch keine mehr sind, anfangen soll.

Aus der Sicht der Kleinen:
Wie aufgeregt waren die kleinen Erstklässler:innen an ihrem ersten Schultag. Alles war neu und was die Zukunft bereithält, kannten die Kleinen nur aus Erzählungen der Eltern, Großeltern oder der älteren Geschwister. Die Patenklasse war in dieser Situation ein Segen. Verantwortungsbewusst helfend und absolut glaubwürdig nahmen die Schüler:innen die Kinder an die Hand und begleiteten sie hinein in die Schule, die ja nun für viele Jahre ihr zweites Zuhause werden sollte. Viel ist in der Zeit geschehen und wir sind jetzt 5. Klasse. Immer wieder haben uns die Großen in dieser Zeit beschenkt – mit Geschichten, dem Adventskalender oder auch mit einer Geburtstagskarte. Wie froh waren die Kleinen, als auch sie endlich schreiben konnten und so manche Geburtstagskarte ist seitdem die Räume hin und her gewandert. In der ersten Klasse konnten die damaligen Erstklässler:innen nur voller Freude annehmen. In diesem Schuljahr wollen sie als 5. Klasse den Spieß umdrehen, wenn in der 13. Klasse so viel gelernt werden muss.