Medienkonzept

Medienmündigkeit ist eine der Freiheitsfragen unserer Zeit und damit Motiv unserer Betrachtungen zur pädagogischen Verantwortung im Umgang mit Medienbildung im Allgemeinen und mit Medienkompetenzen hinsichtlich digitaler Medien im Besonderen.

Gemäß dem Grundsatz, die Schüler:innen an die Kultur und Zivilisation der Gegenwart heranzuführen, betonte Rudolf Steiner bereits bei der Begründung der ersten Waldorfschule, dass keine Schüler:innen die Waldorfschule verlassen dürfen, ohne die Funktionsweise der elektrischen Straßenbahn wenigstens in den Grundzügen zu kennen. Man könne kein wacher Zeitgenosse sein, ohne zu verstehen, wie die Technik funktioniere, deren man sich im alltäglichen Leben bediene.1

So sah der erste Lehrplanentwurf selbstverständlich vor, den Aufbau und die Funktionsweise zeitaktueller Technologien kennenzulernen und das Verständnis für industrielle Vorgänge zu schulen. Mit diesen Erfahrungen ausgestattet, sollten Jugendliche zu mündigen Gestalter:innen ihrer Gegenwart erwachsen und in der Lage sein, frei mit Technik umzugehen, sie sinnvoll einzusetzen und ihrer Faszination nicht blind zu erliegen. Nicht als Knecht, sondern als Herr den Entwicklungen der Zeit gegenüberzutreten, beschreibt diese Intention der Erziehungskunst.2 Damit gehörte das Bildungskonzept der ersten Waldorfschule zu den fortschrittlichsten seiner Zeit.

Zum Grundimpuls unserer Pädagogik gehört heute wie vor 100 Jahren, dass Kinder und Jugendliche selbstverständlich auch ihre technische Umgebung verstehen lernen. Da Technik und Wissenschaften, untrennbar verbunden mit dem menschlichen Handeln, nun einmal ständigen Wandlungs- und Entwicklungsprozessen unterworfen sind, bildet sich dieses auch zeitgemäß in jeweiligen Unterrichtsinhalten ab.

Standen vor Jahrzehnten Phänomene der Mechanik, Elektrotechnik, Elektronik oder der Textil- bzw. Kunststofftechnologie auseinandersetzend zur Disposition im wissbegierigen Tun der Waldorfschüler:innen, liegt der Fokus inzwischen auf der Informationstechnologie.

Die Medienmündigkeit und hier insbesondere der Umgang mit den digitalen Medien stellt nun gegenwärtig eine der Herausforderung mit den Erscheinungen des digitalen Zeitalters dar.

Die pädagogische Verantwortung hierfür erfordert besonders ein sorgfältiges Abwägen von Chancen und Risiken, von Inhalten und Einsatz, von Alter und Form, die die Entwicklungsgesetzmäßigkeiten der waldorfpädagogischen Grundlagen anerkennt. Durch die aufmerksame Begleitung im schulischen Alltag wird das Ziel verfolgt, Schüler:innen in ihrer Entwicklung so zu fördern, dass sie mit erlangter Reife digitale Medien sinnvoll und gewinnbringend zu handhaben verstehen.

Mit dem Schulabgang sollten die Schüler:innen heute selbstverständlich über Medienbildung und Medienkompetenzen verfügen. Als anerkannte Ersatzschule vergeben wir staatliche Abschlüsse, vermitteln gleichwertige Kompetenzen, die aus gleichwertigen Anforderungen, Inhalten und Strukturen in den Abschlussklassen resultieren. Medienkompetenz bzw. Medienmündigkeit im Sinne der Waldorfpädagogik verantwortet sich aber nicht vordergründig durch die Forderungen von Wirtschaft oder der Bildungspolitik. Sie begründet sich im Erwerb maßstäblich aus der Entwicklung der Individualität selbst.3 Für die langfristige Entwicklung der Individualität haben neben fachlicher und methodischer Kompetenzen, insbesondere die soziale Kompetenz wie die Selbstkompetenz eine große Bedeutung, die auf eine altersgerechte Medienbildung Anwendung finden soll.

Aus der differenzierten Betrachtung der einzelnen Altersstufen geht somit hervor, dass die Medienbildung entwicklungsabhängig und vom Kind ausgeht. Die Entwicklung der Schüler:innen hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsentfaltung und ihres Bildungsstrebens findet hierin grundsätzliche Berücksichtigung, auch hinsichtlich der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung im Bereich der digitalen Kommunikation und Informationstechnik.

Eine altersgemäße Reife als Voraussetzung für den Umgang und die Verwendung digitaler Medien während der Schulzeit bedeutet im Grundsatz eine sich entwickelndes, sich langsam und chronologisch aufbauendes Konzept im Umgang mit verschiedenen Medien, Medienformen, Medieninhalten und Medienträger. Nur dann, wenn diese Voraussetzung erfüllt ist und einen Mehrwert für die kindliche Entwicklung verspricht, werden diese als Unterrichtsgegenstand, Werkzeug oder Methode verwandt.

Auf der Grundlage der Waldorfpädagogik sieht die Freie Waldorfschule ihre Aufgabe Schüler:innen den gesunden Umgang mit Medien zu ermöglichen und sie zu medienmündigen Bürger:innen zu erziehen.

Um diesem Ziel gerecht zu werden, sind es nötig, auch Pädagog:innen und Erzieher:innen medienpädagogisch aus- und fortzubilden und eine entsprechende medientechnische Ausstattung bereitzustellen. Wir formulieren diese Intention gemäß dem Ansinnen Rudolf Steiners, allgemeingebildet in den Entwicklungen der Zeit stehen und wirken zu wollen. Das gilt für die zu erziehenden Schüler:innen ebenso wie für uns, die Erzieher:innen und Lehrkräfte.

Konkrete Informationen zur Medienpädagogik an unserer Schule und zum Umgang mit Medien im Haushalt entnehmen Sie dem vorläufigen Medienkonzept. Dieses wird aktuell noch überarbeitet und fortlaufend angepasst.

1 BdFW, Struwwelpeter 2.0 Medienmündigkeit der Waldorfpädagogik, 2017, S.1.

2 A. Neider, Medienbalance: Erziehen im Gleichgewicht mit der Medienwelt. Ein Elternratgeber, Vlg. freies Geis-tesleben, Stuttgart, 2008  

3 W.M. Götte/ P. Loebell/ M. Maurer, Entwicklungsaufgaben und Kompetenzen, Verlag Freies Geistesleben Stuttgart, 2009, Seite 9 ff.