In den ersten acht Schuljahren unterrichtet die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer den Hauptteil der Fächer. Über ganz verschiedene Unterrichtsgebiete kann das Kind so Beziehungen zu einem Erwachsenen knüpfen, sich an ihm orientieren und aufrichten.
Der Klassenlehrer unterrichtet seine Klassen jeden Morgen für die Dauer von zwei Zeitstunden. Er fasst das jeweilige Unterrichtsgebiet in Einheiten zu möglichst vier Wochen zusammen – den Epochen. Dadurch wird die vollständige Hingabe des Kindes an ein Thema möglich. Der Lehrer achtet darauf, das Kind in allen Sphären des Menschseins, im Wollen, Fühlen und Denken in jeder Stunde anzusprechen. Den Anfang bildet ein musikalisch-rhythmischer Teil mit Liedern und Gedichten, danach folgt die Stoffvermittlung und Wiederholung. Abgeschlossen wird die Stunde mit einer Erzählung.
Der Kreis setzt sich in Bewegung
Der Zeitpunkt des Zahnwechsels ist der entscheidende Moment im Leben des Kindes, die Schule besuchen zu können. Zwischen dem sechsten und siebten Lebensjahr haben Kräfte ihre Arbeit am Körper vollendet, die jetzt freiwerden, den Unterrichtsinhalt aufzunehmen, zu verarbeiten und zu erinnern. Das Kind brennt nun darauf, die Schule besuchen zu dürfen und dort etwas zu lernen.
Das Unterrichtsprinzip der ersten beiden Klassen ist, symbolisch gesehen, der Kreis. Aus dem gemeinschaftlichen Tun in der ganzen Klasse wird gelernt. Da das Kind all das im Inneren uneingeschränkt bewegt, was in der Außenwelt vollzogen wird, ist die Bewegung das entscheidende Hilfsmittel, durch das und mit dem sich aller Unterricht vollzieht.
Innen und Außen
Zwischen Ende der zweiten und Beginn der dritten Klasse verliert das Kind allmählich den unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Umwelt und bildet die erste Stufe eines selbständigen Seeleninnenraumes aus. Diese Eroberung geht für eine mehr oder minder kurze Zeit mit einer merkwürdigen Traurigkeit einher, die ihren Ursprung in dem Gefühl des Verlustes der unmittelbaren Beziehung zur Außenwelt hat.
Das Kind lernt nun, wie die Menschen die Erde durch die Handwerke ergriffen haben und bekommt dadurch ein Vorbild, wie es die eigene „Krise“ meistern kann.
Schwarz - Weiß
Mit Beginn des zwölften Lebensjahres – und damit der Pubertät – gerät das Gleichgewicht ins Schwanken und zerfällt schließlich. Mit einsetzender Geschlechtsreife brechen ganz neue Gefühlsdimensionen auf, denen der Jugendliche zunächst nicht gewachsen ist.
Seinem Hang, die Dinge nur in den Kategorien wahr oder falsch, schwarz oder weiß zu betrachten, kommen die ersten naturwissenschaftlichen Epochen entgegen. Diese lösen ihn zunächst vom eigenen Gefühlschaos und geben ihm ein Vorbild an Objektivität, die er später auch sich selbst gegenüber erreichen soll.
Das Urteil
Im achten Schuljahr beginnt sich der Jugendliche von der Führung durch den Klassenlehrer abzulösen. Hat er bis dahin die Welt mit den Augen seines Lehrers betrachtet, lebt nun in ihm der Wille, selbständig die Welt zu beurteilen. Bevor er jedoch in die Oberstufe entlassen wird, stehen zwei Dinge an, in denen er seine Fähigkeiten unter Beweis stellt : das erste große Klassenspiel und die Jahresarbeit.
Seine Urteilskraft wird durch beide Tätigkeiten im besonderen Maße geschult. Im Klassenspiel wird er angeleitet, sich in Gefühl und Charakter einer anderen Person zu versetzen, was eine gewisse Autonomie gegenüber der eigenen Persönlichkeit erfordert.