Besondere Fächer

Epochenunterricht

Im Epochenunterricht soll für einen gewissen Zeitraum, die „Epoche“, das Nebeneinander der Fächer aufgehoben werden, um konzentrierter bei einem Unterrichtsgegenstand zu verweilen.

Durch die intensive Beschäftigung mit einem zentralen Thema im Rahmen des Epochenunterrichts kann dieses wesentlich vertieft werden.

In den Klassen eins bis acht wird der Epochenunterricht von Klassenlehrer:innen gehalten, kann aber bei Bedarf auch von Fachlehrer:innen erteilt werden. In der Oberstufe, die mit der neunten Klasse beginnt, wird er dann von Fachlehrer:innen erteilt.

Konkret sieht der Epochenunterricht an unserer Schule so aus, dass die Schüler:innen über etwa drei Wochen hinweg den Hauptunterricht, d. h. die erste Doppelstunde jedes Tages im gleichen Fach erteilt bekommen. Eine dreiwöchige Epoche ersetzt so eine Unterrichtsstunde, die über ein ganzes Jahr hinweg erteilt würde. Damit es den Schüler:innen der Anfangsklassen möglich ist, 90 Minuten Epochenunterricht ohne Pause durchzustehen, gliedert er sich in mehrere Teile: Der Tag wird begonnen mit einem besinnlichen „Morgenspruch“ und dem „rhythmischen Teil“. Hier wird – zum Teil unabhängig vom Fach – musiziert, rezitiert, rhythmisch geklatscht oder z. B. das kleine Einmaleins geübt. In der Oberstufe kann er auch zur Diskussion von Ereignissen des Vortages oder von philosophi­schen Fragestellungen verwendet werden. Der Unterricht wird mit einer Rückschau auf den Vortag (inkl. Hausaufgabenbesprechung und Vertiefung) fortgeführt, dann wird neuer Stoff möglichst gemeinsam erarbeitet. Im Anschluss daran haben die Schüler:innen die ausgedehnte Möglichkeit, die neuen Lerninhalte zu üben; dabei sollen sie Unklarheiten durch gegen­seitige Hilfe oder Fragen an die Lehrer:innen beseitigen. Die Stunde setzt sich fort mit einer Besprechung der Resultate dieses „Übteils“, dem Ausblick auf den folgenden Tag und der Aufstellung der Hausaufgaben.

Epochal unterrichtete Fächer der Unter- und Mittelstufe sind: Deutsch, Mathematik, Heimat­kunde, Tier-, Menschen- und Pflanzenkunde, Ackerbau, Hausbau, Formenzeichnen, Frei­handgeometrie – später Physik, Chemie, Geo­graphie, Geschichte.

Nicht epochal unterrichtet werden die Fremd­sprachen, Musik, Malen/Kunst, Religion, Eurythmie und Sport sowie Handarbeit, Hand­werk und Gartenbau.

Naturwissenschaften

Der naturwissenschaftliche Unterricht (Physik, Chemie, Biologie, Geographie und Astronomie) in der Oberstufe baut auf dem auf, was in den ersten acht Schuljahren angelegt und vorbereitet

wurde. Durch den Erzählstoff der unteren Klassen wurden die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft kindgemäß erfasst und im Tun (z. B. Hausbau, Ackerbau „Vom Korn zum Brot“) erlebt, erarbeitet und „begriffen“.

Im Anfangsunterricht der Naturwissenschaften (Biologie ab 5., Physik ab 6. Klasse und Chemie ab 7. Klasse) wird die Lehre von den Stoffen, ihren Eigenschaften und Verwandlungen vom Phänomen aus erfahren und mit den eigenen Sinnen erlebt. Zunächst geht es um die Ent­wicklung einer wachen Erkenntnisfähigkeit, noch nicht um eine abstrahierende Betrachtungsweise. Das Auffinden von Zusammenhängen wird wichtig. Bevor von chemischen Elementen die Rede ist, werden Formen und Aggregatzu­stände erkannt und nach und nach auch die diesen Zuständen wesensähnlichen Elemente: Wasser, Sauer-, Stick- und Kohlenstoff.

Die vergleichend-bildhafte Betrachtungs­weise der 6. Klasse bekommt in der 7. Klasse stellenweise eine neue Richtung. Die einfachen Gesetze der Mechanik werden aus der prakti­schen Anwendung heraus entwickelt. So wird z. B. das Hebelgesetz an alltäglichen Gebrauchs­gegenständen, wie Nussknacker, Waage oder Zange, verdeutlicht.

Nachdem die 9. Klasse gründliche Erklärungs­ansätze für viele technische Einrichtungen, wie z. B. Telefon und Dampfmaschine liefert, bildet sich erst in der 10. Klasse am Beispiel der Mechanik eine Systematik, die das Quantitative in den Vordergrund stellt. Bekannte Phänomene werden erkennend durchdrungen, früher aus der Anschauung gewonnene Begriffe werden neu gefasst. Die Entdeckung der ungeheuren technischen Möglichkeiten des Menschen entfacht die Begeisterung der Schüler:innen in der Mechanik-epoche. Nachdem in der 11. Klasse die neueren elektrischen Errungenschaften (Funk, Röntgenstrahlen, Atomenergiegewinnung, Radioakti­vität) bearbeitet worden sind, bildet die Licht-und Farbenlehre den Abschluss.

Die pädagogische Absicht in der Oberstufe, Denken, Fühlen und Wollen in einen produktiven Einklang zu bringen, lässt sich auch gut im begleitenden Experimentalkurs verwirklichen. Die Ergebnisse müssen sowohl sachlich als auch nach funktionalen Gesichtspunkten und schließlich auf ihre Verantwortbarkeit geprüft werden. „Die Sache“ tritt als Autorität an die Stelle des Lehrenden und kann als wesentliche Motivation und Reflexionsmöglichkeit für die Schüler:innen wirken.

Eurythmie

Eurythmie, ein Fach, das nur an der Waldorf­schule unterrichtet wird, ist eine Kunst, in der Musik und Sprache durch Bewegung sichtbar zum Ausdruck kommen. Dieses „seelische Tur­nen“ (Rudolf Steiner) schult das Empfindungs- und Vorstellungsvermögen der Schüler:innen und macht sie nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich sehr beweglich.

Neben dem künstlerischen Tun werden Beob­achtungsgabe und präzises Erinnern des Ge­schehenen erlernt – Fähigkeiten, die ebenfalls den anderen Fächern zugute kommen.

Musik

In den ersten drei Schuljahren hat der Musikunterricht vor allem die Aufgabe, die Stimme und das Gehör der Kinder zu schulen. Dabei wird besonders der pentatonische Tonraum genutzt, in dem das Kind seine Seelenstimmung wiederfinden kann. Bereits in der ersten Klasse wird neben dem Singen auch das Spiel auf einer pentatonischen Flöte begonnen.

Im dritten Schuljahr, in dem die Kinder einen wichtigen Entwicklungsschritt durchleben, erfolgt der allmähliche Übergang in den diatonischen Bereich. Jedes Kind spielt nun auf einer Sopranblockflöte und hat im Idealfall ein individuelles Instrument gefunden, auf dem es sich weiter ausbilden lässt.

Im Verlauf der nächsten vier bis fünf Schuljahre erobern sich die Kinder die Welt des mehrstimmigen Musizierens. Mit diesen Voraussetzungen kann das musikalische Erleben im Pubertätsalter auf vielfältige Weise gestaltet werden. Oft steht besonders die rhythmische Arbeit im Vordergrund des praktischen Musizierens. Die Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler wird auch durch die Beschäftigung mit verschiedenen Musikerbiografien und musiktheoretischen Themen geschult.

Ein besonderes Highlight ist die Vorbereitung der neunten Klassen auf das Chorprojekt in der zehnten Klasse. Dabei wird zumeist eine Messe oder ein Oratorium innerhalb einer öffentlichen Konzertveranstaltung zur Aufführung gebracht. Die Schülerinnen und Schüler erfahren hierbei Unterstützung durch professionelle Gesangslehrer.

Fremdsprachen – Tore zu anderen Kulturen

Der Sprachunterricht beginnt in der 1. Klasse gleich mit zwei Fremdsprachen. Es werden hier jene Jahre genutzt, in denen das Kind noch aus der unmittelbaren Nachahmung sehr leicht und unbefangen lernen und aufnehmen kann. Der Unterricht in der Unterstufe wird ausschließlich mündlich und ohne jegliche Übersetzung erteilt.

Vielseitigkeit durch Singen, rhythmisches Sprechen, begleitet von sinnvollen Bewegungen, Spielen kleiner Szenen, eröffnen dem Kind die Welt der fremden Sprache. Über freudiges Mittun werden die Grundelemente für die kommenden Jahre nahezu „nebenbei“ angelegt.

In der 4. Klasse beginnt allmählich die ganz systematische Bewusstmachung des Angelegten. Zunächst wird das Gelernte aufgeschrieben und durch das Lesen allmählich wiedererkannt. Dabei wird auch noch nicht übersetzt, sondern durch szenisches Vorspielen der Inhalt deutlich gemacht.

Mit fortschreitendem Alter nimmt der Prozess der Bewusstmachung ständig zu und findet in der 8. Klasse einen vorläufigen Abschluss. Die Schüler:innen verfügen über solide Fähigkeiten im Lesen, Schreiben, Verstehen, Übersetzen und freien Sprechen. In der Oberstufe werden diese dann differenziert durch Arbeit an klassischer und moderner Literatur und an Theaterstücken, die zum Teil Bühnenreife erreichen. Bis zur 12. Klasse erlangen die Schüler:innen neben der Sprachfähigkeit auch ein tieferes Verständnis für die Mentalität und Eigenheiten anderer Völker.

Handwerk

Der handwerkliche Unterricht beginnt schon in der 5. Klasse. Neben der zweckdienlichen Form des Werkstückes steht dessen schöne Ausgestaltung im Vordergrund.

Die 9. Klasse bildet einen Einschnitt in Thema und Arbeitsweise des Werkens. Was in der Mittelstufe noch ein künstlerischer Umgang mit den mehr organischen Formen war, führt nun zu den streng vorgegebenen und handwerklich anspruchsvolleren Aufgaben im Tischlern, Korbflechten, in Metallbearbeitung, Töpfern Buchbinden, Handweben und Nähen.

Die Schüler:innen lernen ihren Verstand zu gebrauchen und ihre Willenstätigkeit den äußeren Gesetzmäßigkeiten anzupassen. Sie erfahren, dass ihre Arbeit für die Gesellschaft etwas bedeuten kann.

In der 11. und 12. Klasse liegt das Schwergewicht mehr auf der künstlerisch-individuellen Werkarbeit, die sich an sozialen und gesellschaftlichen Bedürfnissen messen lassen soll. So werden z. B. Bucheinbände selbst gestaltet und ein selbstentworfenes Möbelstück gefertigt.

Bildende Künste

Vor dem Hintergrund der Pubertät werden in der 9. Klasse neben den handwerklichen Fächern Schwarz-Weiß-Zeichnen und Plastizieren in mehrwöchigen Epochen unterrichtet. Gemäß der seelischen Situation der Jugendlichen, die sie als einen schmerzvollen Gegensatz zwischen ihrer eigenen Welt und der Realität der Außenwelt empfinden, wird im Zeichnen diese Polarität von Licht und Dunkel aufgegriffen und im schöpferischen Prozess wieder zu einer Einheit verbunden.

Auch im Plastizieren steht eine erneute Begegnung von Innen und Außen, von Schwere und Leichte im Vordergrund. Durch die eigene künstlerische Tätigkeit beginnen die Schüler:innen zu erkennen, dass objektive Gesetzmäßigkeiten den Gestaltungsprozessen innewohnen und dass der Mensch verantwortlicher Mitgestalter an der Welt ist.

Das Plastizieren mit weichem Ton findet seine Fortsetzung im Schnitzen (10. Klasse) und im Steinhauen (12.Klasse).

Nachdem in den unteren Klassen der Umgang mit den Farben intensiv gepflegt wurde und die Schüler:innen sich danach im Kontrast des Schwarz-Weißen befanden, wird ab der 10. Klasse die Farbe erneut aufgegriffen. Das eigene Tun bekommt nun Unterstützung durch das sich entwickelnde Verständnis der Gesetze der Farbenlehre.

Die praktische künstlerische Arbeit wird begleitet von der Kunstgeschichte, in der die Schüler:innen die Wesensmerkmale der verschiedenen Stilepochen, ausgehend von der Ägyptischen Kultur bis hin zur Neuzeit, erkennen lernen.

Einen Abschluss findet der theoretische Kunstunterricht mit der Architekturgeschichte in der 12. Klasse. Durch den plan- und doch phantasievollen Umgang mit dem Material und durch den den Hintergrund erhellenden begleitenden Unterricht bietet die Waldorfschule den Schüler:innen die Möglichkeit, ein Mensch zu werden, der wach ist für die Not des Augenblicks und verantwortungsvoll handeln kann.

Olympiade

In der 5. Klasse spielen im Sportunterricht die fünf klassischen Sportarten der Antike eine große Rolle und bestimmen die Inhalte des gemeinsamen Übens. Dazu passend wird im Geschichtsunterricht das Antike Griechenland ausführlich betrachtet, Dichtungen im Hexa­meter geübt und das Leben der „Alten Griechen“ nachempfunden.

Während des ganzen Schuljahres werden im Sport die verschiedensten Formen des Laufens, Werfens, Springens und Ringens ausprobiert und in Zusammenhang mit den antiken olym­pischen Spielen gebracht. Dabei wird besonders auf Schönheit und Effektivität der Umsetzung der Disziplinen geachtet, die historischen Hinter-gründe der Ausübung genau dieser Sportarten beleuchtet. Speer- und Diskuswerfen, Weitsprung

mit Gewichten und Ringen sind für alle ganz neuartige Anforderungen, deren zielgerichte­tes Üben zu jeder Sportstunde gehört. Höhepunkt ist dann die Olympiade, zu der sich die Schüler:innen verschiedener mitteldeutscher Waldorfschulen im Frühjahr für eine Woche treffen.

Alle Kinder werden in Poleis (Stadtstaaten) aufgeteilt. Gemeinsam wird geübt, der Zu­sammenhalt in den Gruppen gepflegt. Nicht nur die Verbesserung der eigenen Leistungen, sondern vor allem das Einbringen der indivi­duellen Fähigkeiten für andere Athleten, für Schwächere, für das Gelingen des Vorhabens insgesamt ist von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der Persönlichkeit der Heran­wachsenden. Mit großer Begeisterung stellen sich die Kinder diesen Anforderungen, erleben auf besondere Weise sozialen Zusammenhalt und Gemeinschaft. Die Woche endet mit dem olympischen Wettkampf am Freitag. In selbst genähten weißen Gewändern, mit Ehrgeiz und Konzentration absolvieren die Athlet:innen jede Disziplin unter dem Jubel des Publikums. Und am Ende sind alle Sieger:innen, jeder hat sein Bestes gegeben!

Weitere besondere Unterrichtsfächer nach Klassenstufen